|
Originaltext: Beschluss BFH vom 21.08.2006, VII B 333/05
Tenor: Durch die Aufhebung des § 23 Abs.
6a StVZO und damit der Gewichtsbesteuerung von sog. Kombinationsfahrzeugen mit
einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t hat sich nichts an der
kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Maßgeblichkeit des Begriffes des Pkw geändert,
wie ihn der BFH in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat. Die RL 70/156/EWG
zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger an den
technischen Fortschritt und die darauf beruhende verkehrsrechtliche Einstufung
eines Fahrzeugs sind kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht maßgeblich.
Gründe:
I.
Auf den Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist ein Geländewagen
vom Typ "Land Rover" zugelassen. Das Fahrzeug ist mit einem Ottomotor (Hubraum
4.554 ccm) mit geregeltem Katalysator und einer Leistung von 218 PS/160 kW
ausgerüstet. Es weist vier Seitentüren und eine Hecktür sowie insgesamt fünf
Sitzplätze auf. Im Fahrzeugbrief wird es als "Pkw geschlossen" bezeichnet. Im
August 2005 erließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--)
einen Änderungsbescheid, mit dem das bisher als Lkw nach Gewicht besteuerte
Fahrzeug ab dem 1. Mai 2005 nach § 8 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG)
als Pkw eingestuft und dementsprechend nach Hubraum und Schadstoffausstoß
besteuert wurde. Das FA begründete die Neueinstufung mit der Aufhebung der in §
23 Abs. 6a der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) getroffenen
Sonderregelung für Kombinationskraftwagen mit Wirkung vom 1. Mai 2005.
Gegen den Änderungsbescheid legte der Antragsteller Einspruch ein, über den noch
nicht entschieden ist. Seinem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des
angefochtenen Bescheids gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt,
dass die vom FA vorgenommene Einstufung als PKW unzutreffend sei. Da der Begriff
"Personenkraftwagen" im KraftStG selbst nicht definiert sei, seien die geltenden
verkehrsrechtlichen Vorschriften heranzuziehen, zu denen auch
gemeinschaftsrechtliche Regelungen gehörten. Im Streitfall finde die Richtlinie
2001/116/EG (RL 2001/116/EG) der Kommission vom 20. Dezember 2001 zur Anpassung
der Richtlinie 70/156/EWG (RL 70/156/EWG) des Rates zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für
Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger an den technischen Fortschritt
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. L 18/1) Anwendung, die von
den Mitgliedstaaten spätestens ab dem 1. Juli 2002 hätte angewandt werden
müssen. Zahlreiche Bezugnahmen in der StVZO sowie die Gesetzesmaterialien zur
Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO belegten, dass auch Deutschland den
Gemeinschaftsrechtsakt in nationales Recht umgesetzt habe. Nach den im Anhang II
der RL 2001/116/EG vorgenommenen Begriffsbestimmungen für Fahrzeugklassen und
Fahrzeugtypen seien Fahrzeuge als Pkw in die Klasse M1 einzustufen, wenn sie für
die Personenbeförderung ausgelegt und gebaut seien und außer dem Fahrersitz
höchstens acht Sitzplätze aufwiesen. Mehrzweckfahrzeuge (Kfz zur Beförderung von
Fahrgästen und deren Gepäck oder von Gütern in einem einzigen Innenaum) würden
dann nicht als Pkw der Klasse M1 gelten, wenn sie außer dem Fahrersitz nicht
mehr als sechs Sitzplätze aufwiesen und außerdem folgende Bedingung erfüllten: P
– (M + N x 68) > N x 8; wobei P die technisch zulässige Gesamtmasse in kg, M die
Masse in fahrbereitem Zustand in kg und N die Zahl der Sitzplätze außer dem
Fahrersitz seien. Unter Zugrundelegung dieser Formel sei das streitbefangene
Fahrzeug nicht der Klasse M1 zuzuordnen. Folglich sei es als "anderes Fahrzeug"
i.S. von § 8 Nr. 2 KraftStG nach Gewicht und nicht nach Hubraum zu besteuern.
Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA geltend, dass an der
Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids keine Zweifel bestünden, so dass die AdV
zu Unrecht erfolgt sei. Aufgrund der fortbestehenden Betriebserlaubnis mit der
Festlegung des Fahrzeugtyps Pkw sei das Fahrzeug verkehrsrechtlich als Pkw
einzustufen. Für eine Änderung der Betriebserlaubnis unter Neueinstufung des
Fahrzeugs nach der RL 2001/116/EG bestehe im Streitfall keine Veranlassung. Die
vorgenommene Hubraumbesteuerung sei daher zutreffend. Auf die in der RL
2001/116/EG vorgenommene Unterteilung von Fahrzeugen in Fahrzeugklassen und
Aufbauarten komme es kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht an. Vielmehr sei die
Begriffsbestimmung für Pkw den Festlegungen in § 4 Abs. 4 des
Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zu entnehmen. Im Übrigen habe das FG eine
unzutreffende Klassen-Einstufung vorgenommen. Tatsächlich sei das Fahrzeug als
geschlossener Pkw als Fahrzeug der Klasse M1 AC (Kombilimousine) i.S. der RL
2001/116/EG einzustufen.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen und schließt sich im
Wesentlichen den Ausführungen des FG an. Darüber hinaus ist er der Ansicht, dass
der Betriebserlaubnis keine konstitutive Bedeutung zukommen könne; anderenfalls
könne es ein Erlöschen der Erlaubnis durch Änderung der Fahrzeugart nicht geben.
Zudem äußert der Antragsteller Zweifel, ob § 4 Abs. 4 PBefG überhaupt als
verkehrsrechtliche Regelung aufgefasst werden könne. Unabhängig davon könne der
Vorschrift keine Abgrenzung der Begriffe "Personenkraftwagen" und
"Lastkraftwagen" entnommen werden. Selbst wenn dies der Fall und das
streitgegenständliche Fahrzeug danach als Pkw einzustufen sei, müsste das PBefG
nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung hinter die vom
Gemeinschaftsrecht vorgegebenen Begriffsbestimmungen zurücktreten. Aufgrund
Festlegungen in der ISO-Norm 3833/1977, die ihre deutsche Entsprechung in der
DIN 70010 (Systematik der Straßenfahrzeuge) finde, sei das Fahrzeug nicht als
Kombilimousine, sondern als Mehrzweckfahrzeug in die Klasse M1 AF, hilfsweise in
die Klasse G einzuordnen. Darauf deuteten auch die Umstände hin, dass das
Fahrzeug über einen separaten - den Aufbau tragenden - Rahmen und an der Vorder-
und Hinterachse über Starrachsen verfüge, die ein unabhängiges Einfedern nicht
erlauben würden.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und
zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und
Rechtslage gelangt der beschließende Senat zu der Auffassung, dass das FG seine
Entscheidung zu Unrecht ausschließlich auf die Einordnung des Kfz in die in der
RL 2001/116/EG festgelegten Klassen und Kodierungen gestützt hat.
1. Das KraftStG enthält keine eigenständigen Definitionen der
Kraftfahrzeugarten. Ob ein Fahrzeug als der Hubraumbesteuerung unterliegender
Pkw anzusehen ist (§ 8 Nr. 1 KraftStG), richtet sich nach Verkehrsrecht. Denn
die Bedeutung der im KraftStG verwendeten verkehrsrechtlichen Begriffe bestimmt
sich nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG grundsätzlich nach den verkehrsrechtlichen
Vorschriften. Zu diesen gehörte bis zu seiner Aufhebung mit Wirkung ab 1. Mai
2005 auch § 23 Abs. 6a StVZO, der Kfz, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur
Beförderung von Personen und Gütern geeignet und bestimmt sind (sog.
Kombinationskraftwagen), bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr
als 2,8 t den Pkw zuordnete. Der Begriff des Pkw ist jedoch dem deutschen Recht
über diese Vorschrift hinaus geläufig und hat eben die Bedeutung, die ihm die
ständige Rechtsprechung des beschließenden Senats im Anschluss an jene
Vorschrift beigelegt hat. Der Senat hat eine Bestätigung seiner Rechtsprechung
zur Abgrenzung von Pkw und Lkw in den Bestimmungen des PBefG gefunden
(Senatsurteil vom 1. August 2000 VII R 26/99, BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72).
Nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG sind Pkw solche Kfz, die nach ihrer Bauart und
Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich
Fahrer) geeignet und bestimmt sind. Als Lkw sind hingegen die nach ihrer Bauart
und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmten Kfz anzusehen (§ 4 Abs. 4
Nr. 3 PBefG).
a) Ob ein Pkw oder Lkw vorliegt, ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung
anhand von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs zu beurteilen. Dabei obliegt es
dem Tatsachengericht, unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Merkmale eine
Bewertung der objektiven Beschaffenheit des jeweiligen Fahrzeugs vorzunehmen.
Als für die Einstufung relevante Merkmale zu berücksichtigen sind z.B. die Zahl
der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der
Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten,
die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des
Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit,
das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des
Herstellers (Senatsurteile vom 26. November 1991 VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414;
vom 5. Mai 1998 VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489; vom 26. Juni
1997 VII R 12/97, BFH/NV 1997, 810, und in BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72).
Dabei kann kein Merkmal von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs als von
vornherein alleinentscheidend angesehen werden, mag auch einzelnen Merkmalen ein
besonderes Gewicht zukommen und eine Zuordnung als Pkw oder Lkw nahe legen
(Senatsurteil in BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489).
b) Die Einstufung eines Fahrzeugs durch die Verkehrsbehörde hat als solche weder
kraftfahrzeugsteuerrechtlich bindende Wirkung, wie sich im Umkehrschluss aus § 2
Abs. 2 Satz 2 KraftStG ergibt, noch lässt sie im Allgemeinen deshalb einen
zuverlässigen Rückschluss auf die richtige kraftfahrzeugsteuerrechtliche
Beurteilung zu, weil die Verkehrsbehörden insofern eine überlegene Sachkunde
anwenden könnten (Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. September 1981 II R
56/78, BFHE 134, 367, BStBl II 1982, 82, und in BFHE 194, 257, BStBl II 2001,
72). Vielmehr hat die Kraftfahrzeugsteuerstelle die Einstufung
eigenverantwortlich vorzunehmen. Auch der Fahrzeugklassifikation des Herstellers
und der darauf beruhenden verkehrsrechtlich orientierten Beurteilung durch das
Kraftfahrtbundesamt kommt keine kraftfahrzeugsteuerrechtliche Bindungswirkung zu
(Senatsurteil vom 8. Februar 2001 VII R 73/00, BFHE 194, 264, 269, BStBl II
2001, 368).
2. Mit der Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO durch die Siebenundzwanzigste
Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 2. November
2004 (BGBl I, 2712) ist die bis dahin nur für Kombinationskraftwagen bestehende
Sonderregelung ersatzlos entfallen. Daher kann auch die Rechtsprechung des
Senats, nach der Kombinationskraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von
über 2,8 t ohne Rücksicht auf Typ und Erscheinungsbild des Fahrzeugs nicht als
Pkw zu besteuern sind (BFH-Urteil vom 31. März 1998 VII R 116/97, BFHE 185, 511,
BStBl II 1998, 487), keine Geltung mehr beanspruchen.
Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und
Rechtslage vermag der beschließende Senat der Rechtsansicht des FG, dass mit der
Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO die einzige nationale Pkw-Begriffsbestimmung
weggefallen sei und dass infolgedessen nur eine unmittelbare Anwendung der in
der RL 70/156/EWG i.d.F. der RL 2001/116/EG für Fahrzeugklassen und
Fahrzeugtypen festgelegten Begriffsbestimmungen in Betracht komme, nicht zu
folgen.
a) Wie bereits ausgeführt, enthält neben der StVZO auch das PBefG Festlegungen
zur Abgrenzung von Pkw und Lkw. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine
unmittelbare Anwendung der im Gemeinschaftsrecht festgelegten
Begriffsbestimmungen auf das Kraftfahrzeugsteuerrecht nicht geboten ist.
Vielmehr hat die Kraftfahrzeugsteuerstelle eine eigenständige Einstufung des Kfz
vorzunehmen, ohne an die vorgenannten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gebunden
zu sein. Hinsichtlich der in § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 der Straßenverkehrsordnung
(StVO) für andere Kfz als Pkw festgelegten Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen
hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden, dass die
RL 70/156/EWG einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die ein Fahrzeug
den auf Lkw anzuwendenden Regelungen unterwirft, obwohl dieses Fahrzeug aufgrund
einer anhand der RL 70/156/EWG erteilten EG-Typgenehmigung als Pkw zugelassen
worden ist (EuGH-Urteil vom 13. Juli 2006 Rs. C-83/05). Zur Begründung seiner
Entscheidung hat der EuGH auf den Sinn und Zweck der gemeinschaftsrechtlichen
Regelungen abgestellt. Die Bestimmungen über die Typgenehmigung dienten dazu,
durch eine Harmonisierung der technischen Vorschriften und Merkmale Hemmnisse
für den freien Warenverkehr zu beseitigen. In Bezug auf Geschwindigkeitsgebote
seien der RL 70/156/EWG keine an die Mitgliedstaaten gerichteten Vorschriften zu
entnehmen. Darüber hinaus enthalte die Richtlinie keine Bestimmung über die
Einstufung von Kfz in die Klasse der "Personenkraftwagen", sondern lediglich
eine internationale Einteilung der Kfz in die im Anhang II definierten Klassen
M, N und O.
b) Diese Überlegungen sind auf das Steuerrecht übertragbar. Ebenso wenig wie im
Hinblick auf Geschwindigkeitsbeschränkungen sind der RL 70/156/EWG i.d.F. der RL
2001/116/EG für die Mitgliedstaaten verbindliche Festlegungen hinsichtlich der
Einteilung von Kfz für die Zwecke der Erhebung von Kraftfahrzeug- oder
Zulassungssteuern zu entnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Gegensatz
zur Mehrwertsteuer und zu den besonderen Verbrauchsteuern die Besteuerung von
Pkw in der Gemeinschaft nicht harmonisiert ist. Bis zur Verabschiedung
entsprechender, insbesondere auf Art. 93 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft gestützter Gemeinschaftsrechtsakte, sind die
Mitgliedstaaten folglich in ihrer Entscheidung frei, ob und in welcher Höhe sie
eine Kraftfahrzeug- oder Zulassungssteuer erheben wollen (vgl. Vorschlag der
Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Besteuerung von
Personenkraftwagen KOM (2005) 261 endg.). Unter diesen Umständen liegt die
Annahme fern, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit den Regelungen über
Typgenehmigungen für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger zugleich
verbindliche Festlegungen hinsichtlich der Besteuerung von Kfz treffen wollte.
c) Maßgebend für die Einordnung eines Kfz als Pkw ist demnach die in § 4 Abs. 4
Nr. 1 PBefG festgelegte Definition, die einer richtlinienkonformen Auslegung
nicht bedarf. Dagegen kann der in der RL 2001/116/EG vorgenommenen Einteilung
der für die Personenbeförderung ausgelegten und gebauten Kfz in die Klassen M1
bis M3 sowie der weiteren Differenzierung und entsprechenden Kodierung nach den
jeweiligen Aufbauarten (Limousine, Schrägheck-, Kombi- oder Kabrio-Limousine,
Coupé oder Mehrzweckfahrzeug) für die Zulässigkeit von Personenbeförderungen
nach dem PBefG ebenso wenig entnommen werden wie für die zutreffende Besteuerung
eines Kfz nach dem KraftStG. Zwar nimmt die StVZO an verschiedenen Stellen Bezug
auf das einschlägige Gemeinschaftsrecht und die Typgenehmigung (z.B. in § 19
Abs. 1, § 22a Abs. 3, § 23 Abs. 1 und § 30 Abs. 4 StVZO), doch ist die Umsetzung
der Richtlinienbestimmungen nicht dadurch erfolgt, dass in die StVZO eine
allgemeingültige und die Definition in § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG verdrängende
Begriffsbestimmung für Pkw aufgenommen worden ist. Dies war bereits deshalb
nicht veranlasst, weil die RL 70/156/EWG --worauf der EuGH zutreffend
hingewiesen hat-- eine Bestimmung über die Einstufung von Kfz in die Klasse
"Personenkraftwagen" nicht enthält.
d) Auch der Begründung für die Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO (BRDrucks
600/04) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Dort wird lediglich darauf
verwiesen, dass der Regelungsgehalt der Vorschrift nicht mit den in der RL
70/156/EWG für Fahrzeuge der Klasse M1 (Pkw) vorgegebenen Begriffsbestimmungen
für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen vereinbar sei, die eine Begrenzung der
zulässigen Gesamtmasse für Kfz dieser Klasse nicht vorsehen würden; die
Vorschrift sei aus verkehrrechtlicher Sicht entbehrlich. Im Ergebnis wurde mit
der Rechtsänderung keine neue Begriffsbestimmung für Pkw in die StVZO
eingeführt, sondern lediglich die nationale Sonderregelung für
Kombinationskraftwagen abgeschafft, die aufgrund der Rechtsprechung des BFH zu
einer privilegierten Gewichtsbesteuerung von Fahrzeugen mit einem zulässigen
Gesamtgewicht von über 2,8 t geführt hatte und deren Steuerprivileg als
ungerechtfertigt empfunden wurde und auch heute noch empfunden wird (vgl. z.B.
BTDrucks 16/519). Motiviert war die Rechtsänderung insbesondere durch eine
Entschließung des Deutschen Bundestages vom 1. Juli 2004, in der die
Bundesregierung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH aufgefordert wurde,
durch ersatzlose Streichung des § 23 Abs. 6a StVZO schnellstmöglich die
Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die als Nutzfahrzeuge zugelassenen
schweren Geländewagen nur noch als Pkw zugelassen und besteuert werden können (BTDrucks
15/3468). In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten des
Deutschen Bundestages zur Abschaffung des Steuerprivilegs für Geländewagen hat
die Bundesregierung am 20. Juli 2004 die Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO in
Aussicht genommen, ohne die Rechtsänderung mit der Notwendigkeit einer Anpassung
an gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zu begründen (BTDrucks 15/3618). Dies
belegt, dass die vom FG zur Entscheidungsfindung herangezogene
Gesetzesbegründung den Anlass zur ersatzlosen Aufhebung von § 23 Abs. 6a StVZO
und den Willen des Gesetzgebers nur unvollständig wiedergibt.
e) Entgegen der Auffassung des FG bestimmt sich die Besteuerung des
streitgegenständlichen Kfz nicht allein nach den in der RL 2001/116/EG
getroffenen Festlegungen, sondern nach einer komplexen Gesamtwürdigung der die
Bauart und Einrichtung bestimmenden Merkmale unter Berücksichtigung der hierzu
entwickelten BFH-Rechtsprechung. Dabei kann der Umstand, dass das Fahrzeug die
im Anhang II C 1 b der RL 2001/116/EG festgelegte Bedingung P – (M + N x 68) > N
x 68 erfüllt, d.h. dass die unter Berücksichtigung der zulässigen Gesamtmasse
maximal zuladbare Nutzlast größer ist, als die bei Ausnutzung sämtlicher
Sitzplätze (außer dem Fahrersitz) erreichbare Personenlast, nicht als allein
ausschlaggebendes Merkmal angesehen werden. Wie bereits ausgeführt, ist die
Gesamtheit der technischen Merkmale einer tatrichterlichen Würdigung zu
unterziehen. Im Streitfall sind daher auch die Größe der Ladefläche, die
Ausstattung mit Sicherheitsgurten bzw. mit Sitzbefestigungspunkten, das äußere
Erscheinungsbild sowie die Frage von Bedeutung, ob und welche von der
eigentlichen Herstellerkonzeption abweichende Umbaumaßnahmen vorgenommen worden
sind.
Da das FG seine Entscheidung ausschließlich darauf gestützt hat, dass das
Fahrzeug des Antragstellers nach der RL 2001/116/EG als nicht der Klasse M1
zugehöriges "AF Mehrzweckfahrzeug" einzustufen ist, war der Beschluss aufzuheben
und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen. Obwohl der BFH im Streitfall Tatsacheninstanz ist, erscheint
es dem Senat zweckmäßig, die Sache an das FG zurückzugeben. Eine
Zurückverweisung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch im
Beschwerdeverfahren möglich (Senatsentscheidungen vom 4. Mai 2004 VII B 318/03,
BFH/NV 2004, 1363, und vom 8. August 1995 VII B 61/95, BFH/NV 1996, 105).
© 2006-2020 Thomas W. W. Rode, Braunschweig, E-Mail:
info@Kfz-Steuer.de
(Alle Angaben ohne Gewähr!)
|